1980: Essen macht Dampf - Aufstieg in Gefahr
Im zweiten Teil des Aufstiegsdramas von 1980 reisen wir nach Essen an die berühmt-berüchtigte Hafenstraße. Dort erwartet die gefühlt schon aufgestiegenen Karlsruher eine nie zuvor erlebte Wucht - auf dem Feld und von den Rängen!
Ein 5:1-Sieg im Hinspiel! Bei brütend heißen Bedingungen demontierte unser KSC die Essener Gegner im ersten Duell der Aufstiegsrelegation nach Belieben. Die Feierlaune war bei den KSC-Fans so groß wie lange nicht, auch unser blau-weißes Archiv Heiko Räther machte nach dem 5:1 die Nacht zum Tag. Knapp 24 Stunden nach Abpfiff der Partie stand für Trainer Manni Krafft und Torhüter Rudi Wimmer bereits der nächste Termin an – Es ging ins „Aktuelle Sportstudio“! Dort wartete neben Moderator Dieter Kürten der Essener Willi „Ente“ Lippens. Während die Karlsruher Delegation in aller Seelenruhe entspannt die analytischen Fragen des Moderators beantwortete, zeigte sich Lippens ungeniert. So blaffte die „Ente“, den Spitznamen trug der Offensivspieler aufgrund seines watschelnden Laufstils, dass sich der KSC warm anziehen soll! „Wir haben vor, den Karlsruhern vier, fünf, sechs Dinger einzuschenken!“, gab der Essener selbstbewusst von sich. Krafft und Wimmer wussten nicht anders, als die Kampfansage mit einem gequälten Lächeln zu überspielen.
Wilfried Trenkel blickt auf die "Ente" zurück.
Mit dem starken Ergebnis im Rücken und der Ankündigung von „Ente“ Lippens im Hinterkopf, machte sich der KSC-Tross auf den Weg in den Ruhrpott. Am Stadion an der Hafenstraße angekommen, wurden die Blau-Weißen unsanft empfangen. Das Essener Klientel zielte dabei weit über das Ziel hinaus, neben Höhngesängen und Steinwürfen wurden einige Spieler beim Verlassen des Busses auch noch körperlich angegangen. Doch die massive Einschüchterung zeigte ihre Wirkung…
Wilfried Trenkel erinnert sich an die Ankunft in Essen.
Nach nur 40 gespielten Sekunden ging der RWE durch Karl-Heinz Meininger mit 1:0 in Führung. Angriff um Angriff rollte auf das Karlsruher Tor, den Blau-Weißen schlotterten die Hosen. Nur Rudi Wimmers herausragende Reflexe, Pfosten und Latte verhinderten in der ersten Hälfte einen höheren Rückstand.
Ein Rückblick auf die Anfangsphase
Vier Minuten nach dem Seitenwechsel brach in der ohnehin schon hitzigen Partie dann aber endgültig die Hölle los: Ein vermeintliches Foulspiel am Torschützen Meininger wurde von Schiedsrichter Medardus Luca nicht geahndet. Als Reaktion auf den ausgebliebenen Pfiff warf der wutentbrannte Essener Mob Bierbecher auf den Rasen, Fans kletterten auf die Zäune und manche stürmten gar das Spielfeld. Die Polizei und Platzordner mit Schäferhunden eilten herbei, um die Situation zu deeskalieren, hatten dabei allerdings nur mäßigen Erfolg. Das Ergebnis waren chaotische Szenen im Karlsruher Strafraum, bei denen sich neben dem Ordnungspersonal und wild gewordenen Fans auch der ein oder andere Spieler etwas genauer kennenlernte – ein Hexenkessel hoch drei!
Nach einer mehrminütigen Unterbrechung konnte der Schiedsrichter die Partie wieder fortsetzen. Die Blau-Weißen waren noch sichtlich geschockt von dem rabiaten Auftritt des Stadions an der Hafenstraße, sodass der RWE die Führung mit zwei weiteren Treffern auf 3:0 ausbauen konnte. Der KSC war nun völlig von der Rolle: Der sicher geglaubte Aufstieg hing plötzlich am seidenen Faden! Essen warf alles nach vorne, Karlsruhe entkam nur selten der westdeutschen Umklammerung. Das Stadion tobte, stampfte, peitsche die Rot-Weißen nach vorne. Noch zwölf Minuten…
Doch wie gingen die Spieler damals mit dem Rückstand um? Wilfried erklärt die Situation.
In einem der wenigen Ballbesitzmomente des KSC schleppte sich Wiesner mit letzter Kraft in die gegnerische Hälfte. Der Blondschopf schlug das Spielgerät zum besser postierten Edmund Becker, jedoch kreuzte der kurz zuvor eingewechselte Uwe Dittus die Flugbahn des Balles. Von dessen Schulter trudelte das Leder in den Essener Kasten. Schockstarre bei den 23.000 Fans auf den Rängen, unbändiger Jubel auf der Karlsruher Bank. Aus und vorbei – Der KSC hat es endlich geschafft! Nach vier verlorenen Aufstiegsrelegationen innerhalb von zehn Jahren konnte Blau-Weiß das „Nachsitzen“ erfolgreich gestalten. Nächste Station: Bundesliga!
Als die Karlsruher in der Kabine den Aufstieg zelebrierten, erwies sich RWE-Legende Willi „Ente“ Lippens als Sportsmann. Trotz der vielen Nickligkeiten war der Essener ein fairer Verlierer und beglückwünschte seine Kontrahenten zum Aufstieg.
Wie sah die Aufstiegsparty aus, Wilfried? Die Antwort gibt es hier!
Die Freude bei den Spielern über die Rückkehr in das deutsche Fußball-Oberhaus war riesengroß. Es stellt sich allerdings die Frage, wie die vielen blau-weißen Fans vom Aufstieg ihrer Mannschaft erfuhren. Fernsehübertragung? Gab es nicht. Liveticker? Schwierig ohne Internet. Spielbericht? Stand erst einen Tag später in der Zeitung. Selbst nach Essen zum Auswärtsspiel fahren? Für viele Fans zu aufwendig oder zu gefährlich angesichts der berüchtigten Supporter im Kohlepott. So erging es auch unserem Club-Archivar Heiko.
Heiko erinnert sich
„Meine einzige Option war das Radio“, erzählt das blau-weiße Lexikon. Drum setzte sich der damals 29-Jährige an das Steuer seines Spider 124 Cabrios. Heiko holt weiter aus: „Mit meinem fahrbaren dunkelgrünen Untersatz – grün ist die Farbe der Hoffnung – fuhr ich ziellos durch die Landschaft und lauschte nebenbei der Reportage. Die erste Halbzeit wurde nur immer mal wieder kurz zwischendurch eingeblendet, die zweiten 45 Minuten auf irgendeinem Sender direkt übertragen. Was da allerdings meinem Gehör zugetragen wurde, schockierte mich. Der Zwischenstand von 3:0 sowie der Bericht über das Spielgeschehen verursachte in mir eine gewisse Nervosität. Als ich es vor lauter Aufregung nicht mehr aushielt, steuerte ich einen Waldparkplatz an, um dort mit einem Kribbeln im Bauch die finalen 15 Minuten gespannt dem Hörfunkreporter zuzuhören. Die gehetzte Stimme des Kommentators verhieß jedoch nichts Gutes… Die Minuten wurden länger und länger, mein Nervengeflecht dünner und dünner. Wie aus dem Nichts erlöste mich dann endlich Uwe Dittus mit seinem Treffer von meinem Bangen. Große Erleichterung machte sich in mir breit. Ich wusste, es war vollbracht! Bundesliga, wir sind wieder da!“
Ende gut, alles gut! Für Heiko ging es im Anschluss auf direkten Wege nach Baden-Baden in ein Restaurant. Dort genoss er bei einem guten Tropfen ein schmackhaftes 3-Gänge-Menü und freute sich bereits auf die bevorstehende Erstliga-Saison. So süß kann ein Sieg schmecken!